H. F. GERL

Dreimal kurz, eine Pause und ein Faustschlag fest und fordernd, klopfte es an der Türe. Der Chemiker, der in der Szene den Spitznamen der „Alchemist“ trug erhob sich langsam von seinem fleckigen Sofa. Er schlurfte in seinen abgetragenen Air-Jordan zu Tür der alten Werkstatthalle. Normalerweise hätte er den Vorhang, der den Teil mit dem Labor abgeschirmte, hastig zugezogen und er wäre nervös gewesen. Doch das Klopfzeichen war eindeutig, wenn auch ungewöhnlich für diese Uhrzeit. Es war kurz vor 2 Uhr morgens. Er öffnete die drei simplen mechanischen Schlösser und entriegelte den elektronischen Verschluss mit seinem persönlichen Code.

Der Türgriff pulsierte vor seine Augen langsam und die Farbe der Türe wechselte von schmutzig Weiß auf Gelb und dann auf Grün. Das waren die einzigen auffälligen Wirkungen, die der Alchimist von seiner neune Droge, die er, vorerst nur Elixier nannte, bemerkte. Er war sehr enttäuscht, denn die Wahrnehmung verändert, das hatte im vorigen Jahrtausend bereits simples LSD bewirkt. Er fokussiert erneut den Türgriff, und als er für einen Augenblick still stand, drückte er ihn nach unten und öffnete die alte schwere Stahltüre. 

Der Schlag mit der Faust gegen die Türe, die aufschwang, traf ihn fast im Gesicht. Die Besucherin bremste ihre Hand, die in gepolsterten Lederhandschuhen steckten, die mit scharfen Metallnieten versehen waren, rechtzeitig ab.

„Na, haben wir wieder am eigenen Zeug genascht“, blaffte Sie den Alchemisten an und schob sich ohne einen weiteren Gruß an dem ihm vorbei. Die Besucherin, die Ihre blonden Haare mit einem geblümten Haarband zusammengebunden hatte. Stand da und wartete bis der Alchemist, die Tür wieder verschlossen hatte. Sie war etwa 1,70 und damit einen Kopf kleiner als der schlaksige Chemiker. Lady M., wie sie sich gerne nannte, war fast eine liebliche Erscheinung, zart, blonde lange Haare und herzige Gesichtszüge, wenn man jedoch genauer hinsah, erkannte man die irritierenden und widersprüchlichen Details. Sie trug nietenbesetzen Lederhandschuhe, einen langen Ledermantel und alte fleckige Jeans sowie schwere Doc-Martens, mit Stahlkappen und ebenfalls Nieten. Selbst ein zarter Tritt gegen das Schienbein schälte wohl die Hälfte, der dort befindlichen Haut ab. Am Halsansatz erkannte man Tattoos, die sich wohl über Ihren ganzen Oberkörper zogen. Man sah nicht genau welche Tätowierungen, und der Alchimist kannte niemand, der die Hautbemalung je zur Gänze gesehen hatte.

Lady M. sah sich prüfend in dem Loft um, ob sie alleine waren. Danach fixierten ihre Augen den Alchemisten, der im Schein einer flackernden Neonröhre stand. Der schlaksige Kerl wurde sofort nervös, den das am meisten beunruhigende an der Erscheinung waren die Augen. Sie hatte ein strahlend blaues und ein milchig, Trübes, über dessen Lied sich eine hässliche Narbe zog. Das blaue Auge blickt kalt und gefühllos auf ihn und er empfand ihren Blick, als ob er sich in sein Gehirn bohrte. „Was war mit der letzten Lieferung“, sagte Sie und fixierte den Chemiker weiter unbeweglich.

Der Alchimist wusste, was Sie meinte. Nervös stieg er von einem Fuß auf den anderen und versuchte den Blick von Ihr abzuwenden. Bei der letzten Lieferung hatte sein Auftraggeber ihn unter Zeitdruck gesetzt. Er war mit der Herstellung der Substanz nicht vorangekommen, vor allem weil er seine steigend Nervosität und seine Angst durch eines seiner Elixiere betäuben wollte und wieder einmal zu viel erwischt hatte. Er war erst zwölf Stunden später klar im Kopf und erkannte, dass er den Auftrag nicht wie gewünscht abliefern konnte, außer ... Ja, außer er würde die bereits gefertigte Menge strecken. Er mischte das Pulver mit Milchzucker und als es noch immer rund ¼ der bestellten Lieferung fehlte, gab er noch mehr davon hinzu.

Die schmächtige Besucherin trat einen Schritt auf ihn zu und fragte nochmals, „Was war in dem Zeug, dass du geliefert hast“, dabei ballte sie ihre Fäuste und spannte ihre Muskeln. Sie war das Abbild eines Raubtiers, dass sich auf einen Angriff vorbereitete, „Du hast keine Ahnung, was für Probleme du verursacht hast. Der Boss wollte sich gegenüber dem russischen Geschäftspartner positionieren und hat ihnen 5 Kilogramm eines hochreinen Stoffs bester Qualität versprochen. Du weißt selber, das der Stoff gestreckt war. Und die Russen wissen es jetzt auch, und glauben dass wir schwach und Lügner sind. Und man will nicht, dass einen die Russen für schwache Lügner halten, das ist ungesund. Für das Geschäft und für einen selber.“

Der Alchimist hätte sich normalerweise verteidigt, hätte gebettelt, dass man ihn verschont und halt mit einigen Zähnen weniger und einige Tage mit großen blauen Flecken rumgelaufen. Aber er starrte nur auf die Leuchtschrift, des Fast Food-Ladens. Die Neonröhren erkannte er durch das Fenster am anderen Ende der Loft gut. Sie flackert und blinzelte. Plötzlich veränderte sich das Gelb der Schrift zu Orange, zu Grün und schlussendlich pulsierte die Leuchtzeichen in allen Farben des Regenbogens. Gleichzeitig fiel jede Angst von ihm ab und er konnte und wollte sich nicht mehr verstecken und lügen.

„Ihr Idioten habt es selbst verschuldet. Dein kleinschwänziger Boss ist zu blöd um sich von den Russen fern zu halten und zu feigen mit ihnen zu kämpfen und das soll nun ein armes Schwein wie ich ausbaden.“, sagte er mit ruhiger Stimme und konnte nicht glauben, dass diese Worte aus seinem Mund kamen. Der erste Schlag traf ihn geradewegs auf die Stelle knapp unter dem Adamsapfel. Ihm blieb die Luft weg und, obwohl er mit einem Angriff gerechnet hatte, fiel er auf seinen Hintern. Lady M. stand vor ihm und schaute ungläubig auf den Alchimisten, der vor Ihr am Boden saß. „Ich glaub ich habe nicht recht gehört,“ sagt sie mit eisiger Stimme, gefolgt von einem Tritt gegen seine Seite. Der Schmerz fuhr ihm wie einem Eispickel ins Gehirn, aber trotzdem starrte er der Schlägerin, die über ihm stand, in die Augen. Obwohl er wusste, dass er besser den Mund hielt, öffneten sich seine Lippen und er sagte: „Schlecht hören tust du auch noch. Ich weiß ja das deine Psyche sehr beschädigt ist, aber dafür kannst du nichts, mit diesen Eltern kann wohl nichts Gescheites aus einem werden. Obwohl du ganz nett aussiehst auf den ersten Blick, aber ich kennen keinen Mann oder Frau die nicht lieber in einen laufenden Fleischwolf greifen würde, bevor sie Dir ein Kompliment machen. Da wundert es keinen, dass Du so psychopathisch bist. Aber wenn es Dich beruhigt, Du bist wirklich gut in dem was Du tust – Leute erschrecken und Deinem Boss wie ein Bullterrier hinterherlaufen und auf ein ‚Fass‘ warten.“

Der nächste Tritt, mit den nietenbesetzten Schuhen, brach dem Alchemisten eine Rippe. Er sah das wutverzerrte Gesicht der Lady M. und war fasziniert von dem Farbenspiel, welche er auf ihrem blinden Auge sah – milchig, gelb, rot, dann wieder ein pulsierender Regenbogen. Drei heftige Faustschläge in sein Gesicht folgten. Einer brach ihm die Nase, und sein Jochbein platzte auf. Er musste auf das herrliche Farbspiel, das die Überdosis der Droge in seinem Kreislauf verursachte, verzichten. Die Schmerzen vernebelten seinen Geist und das Blut, das ihm über das Gesicht lief nahm ihm die Sicht.

Als sie endlich von ihm abließ, gab es keine Stelle an seinem Körper, die sie nicht bearbeitet hatte. Lady M. wischte notdürftig das Blut von Ihren Handschuhen an dem fleckigen T-Shirt des Alchimisten ab. Der Chemiker nahm durch seine verschwollenen Augen wahr, dass sie zur Tür ging und das Loft verließ. Zwei Dinge habe ich gelernt, dacht er auf dem kalten Boden liegend: „Das M. in ihrem Namen steht wahrscheinlich für Monster und mein Elixier ist ein Fehlschlag. Weil, wer will schon ein Wahrheitselixier. Wahrheit tut immer weh.“

H.F.Gerl 2022

Ein „großer“ Magier und Gaukler hatte wieder einmal ein Dorf in seinen Bann gezogen und nachdem der Zauber abebbte, vertrieben ihn die Dorfbewohner voll Enttäuschung aus dem Ort. Seine wunderbaren Blumen, die er am Vorabend produziert hatte, stellten sich im kalten Licht der Winter Morgensonne nur als bunte Papierfetzen heraus.

Doch der Magier hatte wieder 2 Tage gut gegessen und die Dorfbewohner hatten ihn geliebt bis zum Morgengrauen, an dem Sie ihn mit Schimpf und Schande aus dem Ort vertrieben.

Trotzdem schritt der Magier mit, von stolz geschwelter Brust, auf dem Weg aus, wer war stolz darauf, sich als der größte Magier zu bezeichnen, auch wenn er selber wusste, dass er nur ein leidlicher Gaukler war. Gut genug um allen anderen einen großen Magier vorzuspielen und die meiste Zeit auch selber daran zu glauben, dass er einer sei!

Der kurze Wintertag neigte sich seinem Ende zu,und dem Gaukler wurde bang. Es war empfindlich kalt und er wollte die Nacht sicher nicht im Freien verbringen. Es wurde immer dunkler und er konnte nur noch wenige Meter weit auf dem verschneiten Pfad sehen. Da fiel das Licht der schmalen Mondsichel auf einen großen alten Baum. Er stand an einer Stelle, an welcher sich der Weg gabelte. Es war ein Baum, der schon viel gesehen hatte. Wanderer in großer Zahl, die eine Entscheidung getroffen hatten und den einen oder den anderen Weg wählten, link oder rechts. Doch der Gaukler wählte nicht, den er hasste Entscheidungen, sondern schlüpfte in eine Höhle, die sich zwischen den alten Wurzeln des Baums gebildet hatte, um zu übernachten.

Der Gaukler kletterte in den Hohlraum und stellte fest, dass diese mit altem trockenen Laub gefüllt war und es deutlich wärmer war als die kalte Nacht.

Er legte sich zu Recht und breitete seinen Mantel über sich, leise raschelte das Laub und in der eisigen Nacht, schrie ein jagendes Käuzchen.

„Schläfst Du schon“, hörte er eine leise Stimme?

Der Gaukler öffnete erschrocken die Augen. Da schwebte ein grünes Lichtwesen vor ihm, von dem er ein: „Nein Du bist noch munter“, vernahm.

Der Magier erschaudert, aber er war ein neugieriger Mensch und fragte, „Wer bist du“? „Ich bin der Funken Leben, der in diesem alten Baum steckt“, kicherte die leuchtende Gestalt. „Und wer bist du“, antwortete die Erscheinung? 

„Ich bin ein großer Magier, der diese Welt verzaubert und die Dunkelheit vertreibt“, tönte der Gefragte.

„So und warum sitzt du dann im Dunklen“, kicherte das Wesen und fuhr fort, „Dann macht es dir nichts aus, wenn ich wieder gehe. Du wirst es ja gleich wieder hell haben“, und das Licht und verblasste langsam.

„NEIN! Bleib“, rief der Gaukler, „... ich ... ich bin kein wirklicher Zauberer, eigentlich bin ich nur ein Gaukler“!

„Ein Gaukler, wirklich“, sagte der schwebende Funke, „Einer der auf traurigen Kindergesichtern ein Lachen zaubert, der schwielige Hände vor Freude zum Klatschen bringt und der krumme Rücken gerade macht, wenn er zum Tanz auffordert“?

„Äh, ja so in der Art“, sagte der Gaukler und wurde sehr verlegen. Die Gestalt blieb in der Luft hängen und verlangte, „Sing mit ein Lied.“

„Welches Lied“, fragte der Gaukler? „Eines aus deinem Herzen“, antwortete es.

Die Welt, die ist ein bunter Ball in Händen Ihres Schöpfers und wir sind nur ein Teil des Spiels und tanzen mit dem Ball.

_Doch wenn wir nicht mehr spielen wollen, doch liegt der Ball im Schmutz, sehr einsam ist der Schöpfer dann und lehrt uns dieses Lied zum Tanzen und zum Fröhlich sein.

So tanzen wir und spielen mit und stimmen in das Lachen ein, das hallt in unserer Brust gar tief._

Als der Gaukler geendet hatte, sah er, dass das Licht hell und warm leuchtete. Die Lichtgestalt sagt: „Ich glaube, wir werden beide jetzt besser schlafen“.

Ohne ein weiteres Wort zog sich der Lebensfunke in das Holz des Baums zurück und ein beruhigendes warmes grünes Leuchten umspielte den Gaukler, während er einschlief.

Er erwachte von einem Knurren. Gegen das Eingangsloch des Baums durch das das kalte Licht des Wintermorgens fiel, hob sich der Schatten eines Wolfs ab.

Der Gaukler erschrak noch mehr, als ihn dieser Wolf ansprach, „Guten Morgen Mensch ich hoffe Du hast gut geschlafen und bist hellwach. Denn Du musst hell wach sein für das, was nun kommt“.

„Wirst du mich fressen“, fragte der Gaukler? Der Wolf sah ihn aus unergründlich tiefblauen Augen an, „Nein, das kann ich nicht. Du stehst unter dem Schutz des großen alten Baums, aber ich würde es tun, wenn ich könnte. Meine Gefährtin ist dem Tod nahe. Um Ihr eine Chance zu geben bräuchte sie etwas Fleisch und alleine kann ich nicht jagen. Hilf mir“, flehte der Wolf und sah in aus eisig blauen Augen an.

„Wie kann ich Dir helfen“, fragte der Gaukler?

„Ich brauche Fleisch“, sagte der Wolf ruhig.

„Soll ich dir beim Jagen helfen“, fragte der Gaukler?

„Ich hab seit Tagen die Wälder durchstreift, es gibt kein Wild im Moment“, antwortete der Wolf. Da blickte der Gaukler lang in die Augen des Wolfes und er sah hinter Kälte und Ruhe, Verzweiflung und die Liebe, die der Wolf für seine Gefährtin empfand.

„Wie viel Fleisch brauchst Du“, fragte der Gaukler?

„Eine Arm oder ein Bein“, antwortete der Wolf ebenso ruhig.

„Gut, einen Arm“, sagte der Gaukler und er begann sich den Arm abzubinden. Dann schloss er die Augen.

Obwohl der Wolf kräftig war und vorsichtig ans Werk ging dem Gaukler den Arm abzubeißen, wurde der Magier von den unerträglichen Schmerzen ohnmächtig.

Er erwachte in der Höhle im Baum, aber wusste nicht, wie lange er hier gelegen hatte. Seine Wunde war seltsamerweise mit Blättern verklebt, die kühl und angenehm waren und er blutete nicht. Er richtet sich auf und sah sich um. Am Eingang zur Baumhöhle erblickte er zwei Wölfe. 

Der eine sagte, „Danke“, und legte einen funkelnden Stein von der Größe einer Walnuss vor den Gaukler auf den Boden. „Für Dich“, fuhr das sprechende Tier fort, „Wir werden, solange wir leben, in dieser Höhle bleiben und wenn du etwas brauchst Dir einen dieser Steine geben können und jetzt geh“!

Der Magier verließ den Baum und zog weiter.

Von dem Wert des Diamanten, denn das war der Stein, ließ sich der Gaukler einen Arm aus buntem Glas anfertigen, der von innen leuchtete und kaufte einen Wohnwagen und ein Pferd.

Wo er auch hinkam, lachten die Menschen und tanzten mit ihm und wenn er denn seine Geschichte erzählte und seinen leuchtenden bunten Arm schwang, nannten Sie ihn einen Magier des Lachens und Glücks.

Straßenräuber übrigen erzählten von einem seltsamen Gaukler, den man besser in Ruhe lies. Denn, so munkelte man unter den Räubern, dass man das böse gefährliche Knurren von Wölfen hörte, wenn man ihn auflauerte. Und wer legt sich schon mit jemanden an, der unter dem Schutz der Wölfe steht?

H.F. Gerl, 2009

Als ich aufstand und den Fernseher nicht einschaltet und den Geräuschen des Morgens auf meiner Terrasse lauschte.

Als ich den Computer abdrehte, früher ging und mir ein kleines Eis kaufte und voll Freude meine umstehend Mitmenschen beobachtet.  

Der Tag, an dem ich verstand, das es darum ging meinem Chef zu helfen seinen Job zu behalten (er hat Kinder und Frau) und nicht darum, etwas mehr Provision zu bekommen.  

Der Tag, an dem ich anerkannte Moral über Bord warf und mit einer vergebenen Frau unser beider Träume lebte.  

Als mir die anderen erklärten, dass meine Einstellung dumm wäre, mich nicht erfolgreich machen würde, nichts an der Welt ändern würde und ich sagte aber, das ist MEIN Weg.  

Der Tag, an dem mir bewusst wurde, dass ich nicht Angst vor dem Tod, sonder nur vor dem Sterben habe!  

Der Tag, an dem ich mich frei fühlte, weil ich spürte, dass die Macht der Ängste über mich immer kleiner wurde!

H.F. Gerl 2015

Es war einmal ein Bernstein, den ein alter Mann ängstlich in seiner Hütte verbarg. Er verstecken ihn in seiner Hütte, im hintersten Winkel, weil er Angst hatte, dass man ihm diesen Stein stehlen würde. Der Stein war trüb und unansehnlich, der alte Mann betrachtete ihn nie genau, denn er hatte Angst, dass vielleicht ein furchtbar grässliches Wesen in dem Stein gefangen sein könnte. So zogen die Tage ins Land und der alte Mann wurde krank. Als sich endliche einer seiner Nachbarn um den mürrischen alten Mann kümmerte, war es schon zu spät. Sie trugen den Sterbenden vor die Hütte, wo ein warmer Sonnenstrahl auf ihn fiel. Als man die Krankentrage absetzte, holte der alte Mann seinen Bernstein aus der Tasche. Er kontrollierte, ob dieser noch da sei. Der Sonnenstrahl brachte den Stein zum Leuchten und erschrocken starte der alte Mann auf den Stein. Dieser leuchtete in einem satten honiggelb und als der Alte genauer hinsah, entdeckte er einen wunderbaren Schmetterling, der auf seiner Suche nach der Ewigkeit seinen Weg dahin gefunden hatte. Der alte Mann betrachtete den Schmetterling und starb mit einem Lächeln auf den Lippen.

H.F. Gerl 2022

Wenn der Tod auf seiner eisigen Geige spielt den letzten Ton, der schrill sich über unser Feuer legt. Mit letztem Flackern löscht er es, und Dunkel legt sich langsame über uns.

Verglimmen mag unser Feuer wohl, doch unser Licht scheint durch das klare Eis der Geige durch die knöcherne Hand des Spielers und eilt hinaus durch Räume erhellend eines anderen dunkle Stund’.

H.F. Gerl

Inspiriert von Rainer Maria Rilkes – Vergers‘- en hiver

Die Schwaden von Vanillezucker ziehen über des Festes Schlachtfelder

Zertretene Teller liegen wie Minen unter dem Tisch.

Die Reste des Weihnachtsbratens beginnen, im Zwielicht des neuen Morgen, ein Eigenleben zu führen.

Mit leeren Augen suchen kleine Menschen zwischen den papierenen Bergen nach spielbaren Resten.

Gemeinsam wäre der Morgen nach dem Abend leichter zu ertragen, aber wir haben uns wieder eingeschlossen, in die Bunker, die unser Herzen das ganze Jahr verbergen.

©2018 H.F. Gerl

Seltsam, wenn man durch seine Hand das nasse Laub am Boden sah, dachte er. Das Schimmern seiner Umrisse war wie ein Wasserfilm, der über unsichtbare Gläser ran. Hinter den durchsichtigen Konturen seines alten Körpers, die er noch erkannte, wirkte alles darunter verschwommen und leicht verwackelt. Die Tropfen des Novemberregens fielen, lautlos durch ihn hindurch. Das gleichmäßige Geräusch auf den roten und gelben Blättern und das leise Rausche der Rinnsale, die sich in den Furchen am Boden sammelten, nahm er wahr. Die Art wie er diese Welt, die er verlassen hatte, erlebte, hatte sich aber verändert. Er sah, er höhrte, er konnte aber nicht sprechen, riechen oder schmecken und da war keine Haut. Er fühlte, nur mehr seinen Herzschmerz, seine Liebe, seine Sehnsucht und seine Gedanken.

Er drehte sich langsam um seine eigene Achse und dachte, „Vielleicht sind es genau diese Gefühle, die mich nicht gehen lassen, ich sollte ...“ Ja, was sollte er eigentlich? Er war gestorben, ein Auto, ein Fußweg und zwei Verkehrsteilnehmer, die sich unglücklicherweise aufeinander verließen. Sein letzter Gedanke, bevor ihn das Fahrzeug traf, war, „Er wir doch anhalten ich steh ja schon am Zebrastreifen.“ Tat er nicht, das Anhalten, und der Autofahrer war geschockt, den er dachte, „Der sieht doch da ich zu schnell zum Bremsen bin, der wird doch nicht...“

Als die schemenhafte Gestalt die Drehung vollendet hatte, sah Sie die Landstraße den Fußgängerübergang, den eine trübe gelben Lampe beleuchtete. Er konnte sich an einen Ort versetzen, nur indem er daran dachte. Jedoch bei seinem Zuhause klappte es nicht. Der Ort, den er am besten kannte, dort wo er viele Jahre glücklich gewesen war, den erreichte er nicht. Wenn er an sein Heim dachte, blieb er in einem Nebel stecken, der die Gefühle und die Gedanken an sein Zuhause und seine Frau verschlang und diffus und unklar machten. Am anderen Ende des markierten Übergangs standen Grablichter, die unruhig flackerten, und verwelkte Blumen und Fotos, die sich in der feuchten Luft langsam auflösten.

Er schwebte über die Straße auf die gegenüberliegende Seite, nicht ohne vorher links und rechts zu schauen. Zu spät, um den Unfall ungeschehen zu machen. Zu spät – um Tage oder waren es Wochen? Die Zeit verging in seiner neuen Existenz anderes, er erkannte das „Jetzt“, dazwischen lag nichts. Manchmal war es hell, manchmal war es dunkel, wenn ihm das „Jetzt“ bewusst wurde. Er konnte sich an Vergangenes erinnern, an die Augenblicke, wo etwas „geschah“, wo er „etwas tat“, dazwischen war nichts, schwarze Leere, keine Zeit und kein Raum. Er sah auf die Aufnahme, die gegen die Nässe in Plastikhüllen steckten hinunter, da war ein neues. Er und seine geliebte Frau. Eines der Fotos, das sie in der ersten Woche Ihres Zusammenkommens aufgenommen hatten. Sie sahen beide so glücklich aus. Ein starker Schmerz zog an ihm und er versuchte, an das Haus mit Garten, ihrer beider Zuhause zu denken.

Die Sonne ließ die weiße Farbe des Zebrastreifens auf dem Asphalt noch heller leuchten. Die Autos fuhren durch ihn hindurch und er spürte nichts. Er stand oder schwebte, so genau empfand er das nicht mehr, über dem Fußgängerübergang. Auf der anderen Seite stand eine Frau in Schwarz gehüllt. Neben Ihr war eine zweite Frau, die Sie am Arm hielt. Er hätte die gebeugte Person jederzeit wiedererkannt. Es war seine geliebte Ehefrau und seine Stieftochter. Sie legten ein paar Blumen zu den Kerzen und platzierten eine neue Kerze, die sie entzündeten. Er hörte nicht, was Sie sprachen, und er hatte Angst sich zu nähern. Sie zu erschrecken oder schlimmer zu realisieren, dass Sie ihn nicht wahrnehmen. So wartete er. Die Schulter seiner Gattin bebten und ihre Tochter reichte Ihr ein Taschentuch. Dann drehten sich die beiden um und gingen über den Zebrastreifen geradewegs auf ihn zu. Er versuchte sich wegdenken, fort irgendwohin, aber es klappte nicht und er sah das Gesicht seiner geliebten Frau näher kommen. Dunkle Ringen unter Ihren verweinten Augen. Um ihren sonst lächelnden Mund hatten sich Falten eingegraben. Sie starrte mit schmerzvollen, verzweifelten Blick ins Leere, durch ihn hindurch. Seine Stieftochter redete auf Ihre Mutter ein, aber er hörte die Worte nicht. Er spürte nur die Sorge, im Klang Ihrer Stimme und dann waren Sie beide bei ihm. Sie tauchten durch ihn hindurch, wie durch einen Lichtstrahl oder eine Nebelschwade. Nichts hinderte sie am Weitergehen und obwohl er erwartet hatte, etwas zu spüren, wurde er enttäuscht. Da war kein warmes Gefühl keine freudige Erregung, nichts. Für einen Augenblick war er seiner Geliebten ganz nahe und in ihren Augen sah er, Schmerz, unendliche Traurigkeit und das Fehlen des Lebenswillens. Ihm wurde bewusst, dass er sich unendlich quälte. Selbst, wenn er lange an der Seite seiner Geliebten verbrachte, würde er nur ihren Schmerz spüren. Er würde immer wieder erleben, wie sie mit dem Verlust kämpfte, aber er würde ihr nicht mehr helfen können – nicht in ihrem Leben, nicht hier, nicht in der Form. Und als er diesen Gedanken zu ließ und sein ganzer Leid ihn überwältigte, öffnete sich ein leuchtender Fleck im Grau des Himmels und in einem Sonnenstrahl verging seine Gestalt wie Dunst an einem Frühlingsmorgen.

Seine Frau dreht sich plötzlich kurz um und für eine Sekunde huschte ein Hoffnungsschimmer über Ihr Gesicht. „Was hast Du Mama“, fragte ihre Tochter? „Nichts, ich hab nur für eine Moment gedacht ich kann seinen Duft riechen“, sagt Sie und in Ihrem Herzen war ein kleiner heller Fleck, der sich langsam über die Dunkelheit stülpte.

H.F.Gerl 2022

Der Traum und die Wirklichkeit sind manchmal nur durch einen einzigen kurzen Satz getrennt, “Ich will mehr vom Leben!”

Der Traum war Oneiro, Alētheia, die Wirklichkeit, ist die Stadt mit dem Turm auf dem Hügel.

Die Insel in der Ägäis, mit all Ihren Träumen und Wünschen versank langsam im Dunkeln der Nacht. Die beiden Glasluken, die das Dach über meinem Bett durchbrachen, gaben den Blick auf einen mondlosen Himmel frei, auf dem ich Sterne leuchten sah. Die Geräusche der kleinen Landeshauptstadt waren noch gedämpft auf der Galerie meiner Wohnung zu hören. Ein Auto hier und da. Das Zwitschern der Vögel im Innenhof, die den nahenden Morgen begrüßten, mehr war nicht zu hören. Die Nacht wich ruhig und entspannt dem Tag und der Traum von Oneiro war eine Erinnerung an schmerzliche Zeiten, in welchen die Insel in Griechenland mein einziger Zufluchtsort war, um Frieden und Glück zu finden. Ich drehte mich auf die andere Seite in meinem Bett und lächelte als ich den schwachen Geruch meiner Frau wahr nahm. Es war eine Mischung aus Sonnenschein und betörender schwerer Süße, die mir ein zärtliches glückliches Lächeln auf die Lippen zauberte. Heute war ihr Körper nicht hier, aber ihre Seele streichelte mich bevor ich aufstand. Das war Aletheia, das Land, wo meine Träume zur Wirklichkeit wurden.

Langsam stellte ich meine Füße auf den Boden und wartete kurz bis der morgendliche Schwindel verging. Ich lauschte nicht, ob mein Herz wieder ein paar Wechselschritte einlegte, oder ob die alte müde Klappe nun doch Problem bekamen, sondern freut mich auf eine neuen Tag. Sonnenschein umfing mich, obwohl die Sonne noch hinter dem Hügel mit dem Turm stand, der sich als Schattenriss auf dem rosa Himmel abzeichnete.

Ich ging in die Küche, machte Kaffee und dann stellte ich mich unter die Dusche, um im warmen Wasser, das zärtlich über meine Haut ran, ihre Finger zu spüren. Meine Gedanken und meine Hormone waren bei Ihr, doch meine alte glückliche Seele, fing die Lust in einem kleinen Gefäß in mir auf, um sie zu einem späteren Zeitpunkt mit meiner Frau, meinem Sonnenschein, zu genießen;

Als ich die Straße betrat, ging ich in Richtung des Cafes gegenüber der Oper um mein Frühstück einzunehmen. Die freundlich Menschen, welche mich aus dieser Straße kannten, erwiderten meinen Gruß und als ich durch den Park hinunter zum Cafe ging, lächelte ich über ein paar müde dreinblickende alte Männer mit Ihren Hunden. Wohin ist euer Jugend geflohen aus dem alten traurigen Gemäuer, dachte ich bei mir und war glücklich, dass Sie mir dieses Schicksal erspart hatte.

Seitdem ich hierher gezogen war, hatte ich immer, wenn meine Frau in Ihrer eigene Wohnung übernachtete, in dem Café gefrühstückt. Den Fremden aus der Bundeshauptstadt, hatte man am Anfang immer misstrauisch beäugt, doch da er freundlich grüßte, immer lächelte und ruhig seinen großen Schwarzen, eine Buttersemmel und zwei Eier im Glas verzehrte und dann hier und da seine Laptop auspackte und etwas schrieb, hatte man mich bald als Teil der bunten Gesellschaft dieses Lokals akzeptiert. Die Kellner, welche hier sowieso freundlicher als in der Großstadt waren begrüßten mich und brachten ohne zu Fragen mein Frühstück. Die Herrenrunde, die sich am Morgen immer zum ersten Achtel traf, nickte freundlich als ich sie grüßte und die interessierten Blicke der Damen, die sich beim Prosecco den neuesten Klatsch erzählten, ignorierte ich geschmeichelt.

Als ich mir gerade den letzten Rest des Kaffees genehmigte, kam der Buchhändler aus der Fußgeherzone auf mich zu und sagt, “Hallo wie geht es? Dein letzte Band der Trilogie, war wieder ein voller Erfolg, die Kunden fragen wann es wieder etwas von dir geben wird, könne wir noch einmal eine Lesung machen nächsten Freitag Nachmittag?” Ich, sagte zu und erklärte einige Ideen. Es entspannte sich eine kreative Diskussion und als ich um 11:00 wieder Richtung Wohnung aufbrach hatte ich auch ein Glas des rosa Weins in mir, dem viele skeptisch gegenüber standen, da er das Temperament unberechenbar machen soll.

Gerade als ich mein Wohnung betrat läutete mein Mobiltelefon und ihrer warme zärtlich Stimme ließ alle Vorsätze heute hier in der Wohnung zu arbeiten in nichts aufgehen. Ich packte meine Sachen und fuhr hinaus nach Süden.

H.F.Gerl 2021

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Oft sind Träume ein Zufluchtsort, der einem den Schmerz erträglich macht.

Die Querstange am Fußende des alten Metallbetts bildete den schwarzen Horizont vor dem Blau des Himmels. Das Aufwachen war weder ein Aufschrecken noch haftete ihm der bittere Geschmack nächtlicher, im Traum erlebter Freude an, die nun vor dem strahlende Sonnenlicht flohen. Dominik, setzte sich langsam auf, lehnte sich an die kühlen Stäbe des Metallbettes. Er betrachtete die dünnen Decken, in die er sich des Nachts vergraben hatte. Die Leere des Bettes hinterließ bei ihm keine Sehnsucht und kein Bedauern. Er konnte sich nicht erinnern wann er das letzte Mal einen warmen Körper neben sich gespürt hatte. Sein Blick wanderte langsam zu dem große Fenster, das einem Gemälde auf der rohen Wänden des Steinhauses ähnelte. Die Wände waren mit einer dünnen Kalkschicht bedeckt unter der sich die Steinquader wie Adern und Sehnen seines Hauses abzeichneten. Dominiks Augen wurden vom tiefen wolkenlosen Blau des Himmels gestreichelt und am unteren Ende dieses monochromen Gemäldes, das von Yves Klein stammen hätte können, durchbrachen nur das dunkle Grün der Blätter, eines Olivenbaums, die friedliche Einfachheit des Blaus. Die Geräusch, die seine Ohren vernahmen, bildeten einen wunderbaren Kontrast zu dem Gemälde, das Ihn jeden Tag beim Aufwachen begrüßte.

Das stetige Rauschen der Brandung, die sich tief unten an der Klippe vor seinem Haus Tag und Nacht brachen, bildete den Basso Continuo dieser griechischen Symphonie, gefolgt von den leisen An- und Abschwellen, des Raschelns der Blätter im Olivenbaum. Die Zikaden ergänzten, nur durch kurzen Solii eines Meeresvorgels unterbrochen, die Morgenstimmung. Das genervte Mauzen von Perikles seinem rot-weißen getigerten Kater, der am Fußende des Bettes sein Frühstück einforderte, riss ihn aus seinen Gedanken. “Einer muss an der schönste Stelle immer Husten” dachte Dominik, streichelte Perikles über den Kopf und ging die hölzerne Treppe in das Erdgeschoss, wo er Perikles eine Dose öffnete, frisches Wasser in den Napf gab und Dominik sich frischen schwarzen Kaffee in die Tasse goss. Dann ging er vor das Haus und setzte sich auf die Bank neben der Tür. Dominik nahm einen Bissen von dem Brot, das mit einer dünnen Schicht Butter und etwas Salz belegt war, aß eine der herrlichen Paradeiser und ein paar Oliven, nahm eine Schluck des schwarzen Kaffees, dann lehnte er sich mit seinem nackten Oberkörper an die warme raue Wand. Dominik hatte ein einfache Leinenhose und simple lederne Schlapfen an. Er schloss die Auge um wenigsten einen Teil des zweiten Satzes seiner Morgen-Symphonie zu erhaschen. Doch seine Gedanke wanderten durch die Zeit. Vor rund drei Jahren hatte er alles was er besaß verkauft und dem kalten Land in der Mitte des Kontinents den Rücken gekehrt. Das Geld und die wenigen Ersparnisse hatte gereicht, das kleine Haus auf Óneiro zu erstehen. Die Insel in der Ägäis war sehr klein aber hatte zumindest einen Hauptort mit Hafen und eine kleine Ferienanlage, vor allem für Familien gedacht. Der Ort hieß einfach nur Limani und der Bürgermeister dieses 150 Seelen Dorfs hatte nach einem langen E-Mail-Verkehr zugestimmt ihm das Haus auf der Klippe für lächerliche 50.000 Euro zu überlassen. Ausschlaggebende für dies Entscheidung war vielleicht die Antwort auf das letzte E-Mail von Pavlos, dem Bürgermeister gewesen. Pavlos hatte gefragt, warum er genau dieses Haus wolle. Dominiks Antwort war einfach, “Weil ich seit Jahren jeden Abend in diesem Haus einschlafe, in meinen Träumen.” Das nächste Mail von Pavlos enthielt ein paar freundliche Worte und die Adresse eine Notars in Athen, der alles Restliche erledigen würde. Als Dominik in Limani an Land ging hatte er noch 25.000 Euro für den Rest seines Lebens, und die geringen monatlichen Tantiemen aus ein paar Büchern, sowie seine reduzierte Pension. Immerhin hatte er es geschafft drei Jahre früher als vom Staat vorgesehen seine Traum zu erfüllen. Er ließ nicht viel zurück, sein Bruder war nach Jahren der Stürme und der Verzweiflung endlich angekommen und lebte glücklich mit seiner Frau zusammen und ebenso seine besten Freunde hatten sich mit Ihm gefreut, man chattet regelmäßig, aber die versprochen Besuche hatten sich in den letzten Jahren dann doch nie ergeben.

Dominik war glücklich, so glücklich wie er es nur in wenigen Minuten seines alten Lebens vor Óneiro war. Er hatte das alte Haus, das von einer niedrigen Steinmauer eingerahmt wurde und keine 15 Meter von der Steilklippe weg stand, wieder bewohnbar gemacht. Vor dem Haus neben dem alten Olivenbaum war eine Tisch eine Bank an der Hausmauer und ein paar einfache Schemel. Von dort, wo er jetzt auf der Bank saß, sah er die Spitze der Felsnadel im Meer, die rund einen halben Kilometer vor der Steilküste im Meer aufragte. Und da war noch der Horizont der Ägäis. Blau, still und wissend, voll von der Essenz allen dessen, was ein Leben glücklich macht. Perikles, der bisher neben Dominik auf der Bank in der Morgensonne gelegen war, erhob sich und ging auf seine eigen Odyssee, die Ihn verlässlich jeden Abend wieder an den Futternapf zurück führte. Dominik nahm das Geschirr und brachte es in die kleine Küche. Das Haus bestand aus dem Erdgeschoß und dem ersten Stock. Es war aus festem Stein und mit einem festen Dach gebaut, da es an dieser Klippe auch immer wieder heftige Stürme gab. Es hatte nur Fenster, welche alle Richtung Meer führten und diese konnte man mit Brettern und Balken absichern. Das Erdgeschoss bestand aus einer kleine Küchenecke, einer Essecke, einem offenen Badezimmerbereich im hinteren Teil des Raum in einem Erker gelegen und der breiten alten Holztreppe die nach oben führten. Im oberen Bereich stand das alte schmiedeeiserne Bett, mit dem Fußende zum einzigen großen Fenster dort, das genau auf das Meer hinaus blickte. An der Wand, gegenüber der Treppe, war eine Bücherregal, ein kleiner Schreibtisch und eine bequemer Liegestuhl. Im hinteren Bereich des Zimmers, in dem Erker, den es auch hier im oberen Stock gab, waren zwei Kästen in welchen das Gewand und die wenigen sonstigen Dinge Dominiks waren. Es hatte einige Monate gedauert, bis Dominik das Haus soweit eingerichtet hatte, das er zufrieden war. Pavlos, der Bürgermeister hatte ihm mit seine schlechten Englischkenntnisse immer wieder den Dolmetsch zwischen ihm und den griechischen Lieferanten gespielt, aber als er bemerkte das Dominik versuchte mehr und mehr griechische Sätze zu verwenden, hatte er ihm vorgeschlagen doch mit Frau Filenada zu sprechen. Theo, wie Dominik sie bald nenne durfte war eine Lehrerin, welche die Grundschulkinder auf Óneiro unterrichtet. Sie brachte Dominik Griechisch bei und als sie bemerkte, dass er eine große Liebe für Mathematik und Physik hatte, bat sie Ihn eine Förderklasse in diesen Gegenständen für die wenigen Schüler der Insel zu unterstützen.

Im Sommer des zweiten Jahres war Dominik ein Teil von Limani geworden. Pavlos und seine Frau luden ihn immer wieder zum Essen ein, er wurde freundlich von den Bewohnern begrüßt, wenn er ins Café am Hafen kam und selbst wenn sie ihn “Ekkentrikós” nannten, so plauderten sie gern mit Ihm und manchmal spielte der eine oder andere sogar Tavli mit ihm. Im letzten Sommer hatte er mit einer neuen Idee Erfolg gehabt. Alexandros der Eigentümer der kleinen Familien-Ferienanlag klagte, dass immer weniger Gäste kämen und jene welche kamen waren alle genervt, weil die Kinder oft auch in den Ferien lernen musste. Dominik schlug vor Lernbetreuung für Mathematik und Physik den Eltern anzubieten und prompt kamen fast doppelte so viele Familien wie im Vorjahr. Obwohl die Jugendlichen vorerst nicht begeistert waren, gestaltet Dominik den Unterricht so lebendig, dass eine Handvoll Kinder in diesem Sommer eine neue Sicht auf die viel gehassten Fächer bekamen. Zwei Eltern schrieben sogar E-Mails in welche sie sich herzlich bedankten das Ihrer Sprösslinge dieses Jahr die Nachprüfung gemeistert hatten. Dominik, stellte das Geschirr zurück in die Regal über dem Herd und dann nahm er seinen Hut und sein Umhängetasche und machte sich auf den Weg ins Dorf. er brauchte etwas Katzenfutter und er wollte auch bei Sifnios dem Weinhändler am Hafen, etwas Retsina mitnehmen. Die lange gewunden Straße führte ihn vorbei an kargen kleine Olivenhainen und Gemüsegärten. Er grüßte die Leute denen er begegnet und unterhielt sich mit dem einen oder anderen auf Griechisch. Die Mutter von Pavlos, die in dem kleinen Garten vor dem Dorf stand und Ihrer Zwiebel und Paradeiser pflegte war besonders herzlich. Sie war der Meinung, dass Pavlos in Dominik eine Art älteren Bruder sah, welche die Stelle seine echten Bruders einnahm, der vor vielen Jahren im Streit die Insel verlassen hatte und ans Festland gegangen war. Er hatte den Kontakt zur Familie ganz abgebrochen. Sie schenkte Dominik zwei frische Zwiebel und drei wunderschöne große reife Paradeiser. Dominik lachte und sagte, “Jetzt muss ich Feta und Gurken auch noch auftreiben.“

Die Treppe, des kleine Geschäfts, das am Hafen lag führte über ein paar Stufen nach unten und als Dominik in den kühlen Raum eintrat, in welchen Wein, Liköre und Andenken gestapelt waren, sah er nur Helena Sifnios die Frau des Besitzers im Laden, Dominik seufzte. Helena kümmerte sich, obwohl sie verheiratet war, immer besonders um männliche Kunden. Dominik sah gerade noch, wie sie sich eine Knopf mehr ihrer Bluse öffnete und dann mit einem zuckersüßen Lächeln fragte, “Ach mein schöner Mann, was darf ich für euch tun”. Dominik war Ihre Art aus vielen Gründen unangenehm, erstens war sie die Frau eines der Bewohner dieser Insel und es wäre wohl das dümmste gewesen eine der Ihren Hörner aufzusetzen. Zweitens hatte Dominik mit Frauen abgeschlossen. Er hatte zuletzt, die Frauen, mit der er wieder einmal viel zu langen zusammen war um etwas zu erreichen was nicht möglich war, dann doch verlassen. Alle die anderen, teilweise wunderbaren Frauen, die er auf meist tragischen oder einfach nur dumme Weise verloren hatte, waren nur mehr schöne Erinnerungen, weggesperrt in kleine Holzschatullen verzierte mit der verklärenden Patina der Vergangenheit. Er öffnete Kästchen nicht mehr, da es ihm genügte, dass sie da waren. Dominik ging in den hintersten Bereich des Geschäfts wo die Waren für die Einheimischen lagerten, nahm zwei große Flaschen Retsina, legte das Geld auf das Pult und sagte “Danke es stimmt so und Grüße an Thomas deinen Mann.” Dann ließ er die schmollende Helena stehen. Perikles kam heute früher zurück und bettelt um sein Futter, gerade als Dominik die Zwiebel, Gurken und Paradeiser mit den frischen Kräutern und dem Feta vermischte. Als Dominik vor das Haus trat und auf den Horizont schaute sah er die dunklen Wolken, die ein Unwetter ankündigen. Ein Sommergewitter zog vom Meer Richtung Insel und Dominik beeilte sich die Fenster abzudichten. Perikles trollte sich ganz gegen seine Gewohnheit nach dem Essen sofort auf seine Schlafplatz im oberen Stock. Dominik stellte eine Petroleumlampe auf den Tisch und zündet noch ein Paar Kerzen an, der Strom den er aus der kleinen Windkraftanlage im Ort bezog könnte heute ausbleiben. Er richtete den Salat an und wollte die Flasche Retsina aufmachen als sein Telefon läutet, “Pavlos” stand auf dem Display. Dominik hob mit einem seltsamen Gefühl der Anspannung ab, denn was wollte Pavlos um dies Zeit von Ihm? Pavlos war aufgeregt, aber noch mehr Neugierig, “Eine Frau kommt zu Dir?” “Wie eine Frau, welche Frau”, fragte Dominik. Pavlos fuhr unbeirrt fort, “Sie ist mit der letzten Fähre vorher angekommen, sehr schön und sehr geheimnisvoll. Sie hat Alexandros, der sie eigentlich abgeholt hatte, um sie zur Ferienanlage zu bringen, gebeten sie sofort hinauf zu deinem Haus zu führen. Sie müssen gleich da sein und du musst mir alles erzählen morgen.” Dominik konnte sich das spitzbübische Grinsen von Pavlos vorstellen, als er den Motor des Wagens von Alexandros hörte und auflegte.

Dominik hatte noch immer die Weinflasche in der Hand als er vor die Tür trat und gerad sah wie Alexandros die zwei Koffer neben seine Gartentür stellte und den Lohn für die Fahrt von der Frau entgegennahm. Die ersten Regentropfen fielen gerade und die Frau hatte einen Schirm aufgespannt, sodass er Ihr Gesicht nicht gleich erkennen konnte. Sie trat auf Ihn zu. Lächelte Ihn und und sagte: „Kalispera.“ ...

H.F.Gerl. 2019

Das Ticken der alten Standuhr irritierte den Makler. Er war vor einer, oder waren es zwei Wochen, zuletzt hier gewesen. Er wischte den Gedanken daran, wer die Standuhr inzwischen aufgezogen hatte, zur Seite. „Das alte Zeug funktioniert ja oft länger als man glaubt“, beruhigte er sich. Die Altbauwohnung, mit dem Blick auf das Grazer Glacis und die Rückseite des Uhrturms war lange ohne neuen Mieter gewesen. Zu lange für den Geschmack des Maklers. Er legte die Unterlagen und die Schlüssel auf den alten Küchentisch, auf dem sich eine feine Staubschicht gesammelt hatte, die wie ein leuchtender Flaum eines schlafenden Tieres aussah. Die Novembersonne hatte eine breite Lichtbahn vom altmodischen Flügelfenster zur Tischplatte gebaut. Wie Kinder schienen Staubflocken auf der Rutsche aus Licht zum Tisch zu gleiten. Fast meinte er das Lachen und Juchzen von Kinderstimmen zu hören.

Die Hand mit den frisch manikürten Fingernägeln und dem Siegelring strich beinahe liebevoll über die Scharten und Flecken auf dem alten Küchentisch und dabei berührte er den Schlüsselbund, der scheppernd unter den Tisch fiel. Er bückte sich und als er ihn wieder gefunden hatte und sich gerade erhob, fiel sein Blick auf eine kleine Schnitzerei gleich unter der Kante der Tischplatte. Sie war ca. 2 bis 3 cm groß und bestand aus einem groben Herz und zwei Buchstaben, „H + H“. Die Vorbesitzerin der Wohnung war eine alte Dame, er meinte sich zu erinnern, dass sie Helga hieß. Der Makler hatte sie niemals getroffen. Er war von einer Kanzlei, die ein entfernter Verwandter, ein Erbe in Deutschland, mit dem Verkauf beauftragt hatte, kontaktiert worden. Der Verkäufer stand in der Küche und betrachtete die kahlen Bäume vor dem Fenster. In der Stille dieses Nachmittags stieg ihm plötzlich der schwache Geruch von Zwetschgenröster und Grießschmarren in die Nase. Er drehte sich zu dem alten Gasherd, der dort teilnahmslos und kalt stand. Doch der Duft schien nicht wegzugehen.

Hastig öffnete er die Fenster in der Küche und die kalte Luft mit dem Gestank der Autos, die lautstark 4 Stock unter dem Fenster vorbeifuhren überdeckte den Geruch. Der Mann beeilte sich auch in den anderen Zimmern die Fenster zu öffnen. Er hastete über das alte knarrende Parkett des Vorzimmers und betrat das Wohnzimmer durch die Flügeltür mit geätzten Mattglasscheiben. Der Makler war erneut verwundert wie groß und hell doch diese Altbau-Wohnungen waren. Er hatte Appartements in Top Lagen gesehen, von welchen das Wohnzimmer und die Küche bequem in dieses alte Wohnzimmer passten. Der Immobilienmakler verharrte an der Türe und betrachtete den Raum. Dieser war, wie die Küche, von der tief stehenden Sonne erleuchtet. Auf dem alten gepflegten Holzboden zeichneten sich helle Flecken ab. Dort war sicher ein wertvoller alter Perserteppich gelegen, und dort, in der Ecke, war wohl der Esstisch gestanden, was man an den Spuren der Sesselbeine erkannte. Unruhige Besucher hatten es wohl nicht mehr ausgehalten, bis endlich die Nachspeise aufgetragen wurde. Wieder meinte er den feinen Duft von Grießschmarren und Zwetschgenröster wahrzunehmen. Er drehte sich zu den Fenstern, die er schnell öffnen wollte, bevor die Interessenten kamen. Dabei sah er die 3 hellen Punkte, die in einem typischen Dreiecksmuster angeordnet waren. Er erkannte diese sofort. Seine Tante hatte darauf bestanden, dass er Klavierunterricht bei ihr nahm. Bis zu seinem zwölften Lebensjahr hatte sie ihn zweimal pro Woche damit gequält, Etüden, Sonaten und Suiten. Er hatte die Stunden gehasst, da er lieber Fußball spielen und ein neuer Beckenbauer werden wollte. Der Klang des Schneewalzers schien plötzlich durch den Raum zu schweben. Im hellen Licht der untergehenden Sonne, meinte er ein altes Paar zu erkennen, das sich wiegend in den Armen hielt und Walzer tanzte und sich glücklich anlächelte, während ein Kind auf dem Flügel spielte.

Der Makler schüttelte unwillig den Kopf und vertrieb die Illusion. Er sah auf seine teure Uhr, 15:30. Die Interessenten müssten schon da sein. Er beeilte sich noch die beiden Fenster zu öffnen. Das Erste ließ sich einfach öffnen das Zweite aber klemmte und erst nach einem heftigen Ruck öffnete sich dieses. Ein alter Fetzen Papier war zwischen Fenster und Rahmen eingeklemmt gewesen. Er hob ihn auf und erkannte, dass es das Fragment eines Briefs war, auf dem klar noch die alte Schrift auf dem vergilbten Papier zu erkennen war. Dort stand in einer sauberen Handschrift. „…be Dich für immer, meine Walzerfee. Dein Heinrich“

Das Klingeln an der Wohnungstür riss ihn aus seinen Gedanken. Heute wollte er diese Wohnung endlich vermieten, nahm er sich vor – zumindest, wenn die Mieter es wert waren hier zu wohnen.

H.F. Gerl 2022

Zwetschgenröster … österreichisches Pflaumenmus mit groben Stücken darin. Grießschmarrn … ähnlich Polenta (aber süß) Vorzimmer … Flur (nur größer und länger) Sessel … Stuhl